Blog-Archiv

Mittwoch, 11. März 2015

Blindgang #Physiolife 2015,2



Heute haben wir in der Schule den ¨Blindgang¨ gemacht. Das bedeutet, eine Person bekommt die Augen verbunden, ist also blind, und die zweite Person führt den Blinden durch die Gegend. Dabei durften wir das gesamte Gelände umrunden. 
Nina wurden zuerst die Augen verbunden. Die ersten Schritte waren echt komisch, auch für mich. Nina hat sich super festgeklammert, ist nur sehr kleine Schritte gegangen, und es hat eine Weile gedauert, bis sie mir komplett vertraut hat. Schon die erste Tür war ein echtes Problem. Ich war mir anfangs recht unsichter, wie ich beschreiben soll, was sich jetzt wo befindet und wo Nina ihre Hand hinhalten kann, um den Gegenstand zu spüren. 


Die Treppe war überhaupt kein Problem, was mich sehr gewundert hat. Aber Nina war sich ihrer Bewegungen hier ziemlich bewusst und konnte die Treppen ohne Probleme und recht schnell runtergehen. Als wir draußen an einer Treppe waren, habe ich versucht, ihr ohne Worte klarzumachen, dass jetzt eine Stufe kommt. Also habe ich ihre Hand auf das Geländer gelegt, um ihr schonmal ein bisschen Sicherheit zu geben. Damit sie stehen bleibt, habe ich leicht an ihrem Arm gezogen. Dann habe ich ihr Bein genommen und auf die Stufe zugeschoben. Sie konnte gut spüren, dass es nun Berg ab geht. 
Wenn Nina geradeaus gehen sollte, war es recht schwierig für sie, die Spur zu halten. Sie wollte immer nach links gehen und hat es mir somit nicht ganz leicht gemacht, sie bei mir zu halten. Oft hatte sie das Gefühl, wir würden gleich gegen eine Wand laufen, dann hat sie wieder ganz kleine Schritte gemacht und die Arme nach vorne ausgestreckt. Es hat auch nicht geholfen, dass ich gesagt habe, dass weit und breit keine ¨Gefahr¨ ist. 





Eine kleine Runde haben wir im ¨Vorgarten¨ der Schule gedreht, also quasi einmal um den kleinen Teich herum. Da das eine Strecke ist, die Nina noch nie gelaufen ist, war sie total verunsichert und wusste überhaupt nicht wo sie war. An anderen Stellen war ihre Orientierung recht gut ausgeprägt. 
Besonders deutlich wahrgenommen hat sie Personen, die an uns vorbeigelaufen sind. Sie hat gesagt, sie würde einen Luftstrom spüren. Und genauso deutlich hat sie Geräusche empfunden. Meist sogar viel lauter und näher, als sie eigentlich waren. Wenn ich beispielsweise gesagt habe, dass GLEICH eine Stufe kommt, ist Nina sofort stehen geblieben, und konnte nur schwer einschätzen, was GLEICH bedeutet. Für diesen kurzen Weg von der Stelle, an der ich mit ihr gesprochen habe, bis zu der Stelle, an der erst die Stufe kam, schien das Vertrauen erheblich zu sinken.
Fazit: Nina hat mit ihren Ohren und ihrer Körperwahrnehmung die Blindheit am ehesten kompensiert. 



Nun zu meinem eigenen Blindgang. Ich hatte sofort ein komisches Gefühl, als mir die Augen verbunden wurden. Ich hatte das Gefühl, der ganze Raum würde sich unmittelbar um mich herum befinden und ich könnte mich keinen Zentimeter bewegen, ohne irgendwo vorzustoßen. Ich hatte überhaupt kein Gefühl für Räume, was sich durch den ganzen Gang durchzog. Auch als wir im Flur waren, hatte ich keine Orientierung und hatte echt Angst, dass ich irgendwo vorlaufe. Obwohl ich Nina total vertraue, war es schon echt ein komisches Gefühl, sich komplett auf eine andere Person zu verlassen. 
Zwischendurch, sowohl draußen als auch drinnen, sind wir immer mal wieder stehen geblieben, um Gegenstände zu fühlen - Blätter, Bäume, Steine, eine Mauer, einen Zigarettenautomaten, usw. Teilweise sieht man solche Sachen ganz selbstverständlich, aber wenn man sie ertasten soll, hat man keine Ahnung was das sein soll. Im Haupteingang zum Beispiel sollte ich eine große Figur ertasten. Ich habe immer noch keine Ahnung, wie sie aussieht. Wenn ich gleich dran vorbei laufe, werde ich genauer drauf achten. 
Ich habe auch gemerkt, dass ich mich lieber mit einem Fuß weit vorgeschoben habe, um zu fühlen, was sich vor mir befindet, als mehrere Schritte zu machen. Ich kann nichtmal sagen, warum ich das gemacht habe, aber irgendwie habe ich mich so auf der sicheren Seite gefüht. An meinen Händen war ich auch total sensibel. Ich bin total schnell zusammengezuckt, wenn ich etwas berührt habe, mit dem ich nicht gerechnet habe oder das sich ¨komisch¨ angefüht hat. Auf die Kuscheltiere in der Cafeteria bin ich zum Beispiel zuerst gar nicht klar gekommen.
In der Cafeteria sollte ich Nina einen Cafe holen. Sie hat mir den Becher in die Hand gedrückt, und mich einfach machen lassen. Den Automaten konnte ich noch gut finden, genauso wie das Ding, wo man den Becher drauf stellt. Aber die Tasten konnte ich einfach nicht spüren. Ich habe Wellen auf der sonst glatten Oberfläche empfunden, aber die kleinen Knöpfe konnte ich nicht ausmachen. Als der Cafe fertig war, und wir zur Kasse gegangen sind, war ich so konzentriert, weil ich Angst hatte, ich schütte den Cafe über mich. Ich habe keine Geräusche außer Ninas Stimme wahrgenommen. Erst auf einem Video habe ich nachher gehört, wie laut es eigentlich war. An der Kasse habe ich dann gesagt: ¨ Einen Cafe bitte¨, aber es war überhaupt niemand an der Kasse. Man muss wirklich ein gutes Gespür dafür haben, wer oder was sich so um einen befindet, wenn man blind ist. 



Im Kiosk draußen hat Nina verschiedenen Süßigkeite für mich gekauft. Sie hat sie mir immer zuerst an die Zunge gehalten, und ich musste schmecken, was das für Süßigkeiten sind. Das war gar nicht so einfach, aber ein kleiner Beweis dafür, dass das Auge mitisst. 
Unterwegs haben wir noch eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter getroffen. Sie hat sofort gefragt, was wir machen und ob sie uns helfen kann. Das war wirklich niedlich und hat mir gezeigt, dass es auch noch nette Menschen in Wuppertal gibt. 
Auf dem Rückweg, sind Nina und ich auf eine kleine Mauer geklettert und über die Wiese zurück gelaufen. Ich war so verunsichert, dass wir zwar nach oben geklettert sind, aber nicht wieder runter, dass ich total Angst hatte, gleich runterzufallen. Ich habe richtig gemerkt, wie ich total schräg gegangen bin, nur noch ganz kleine Schritte gemacht habe und die Arme nach vorne ausgestreckt habe. Da habe ich Nina wirklich überhaupt nicht vetraut und war wirklich froh, als ich mir wieder sicher war, wo wir waren. 
Fazit: Ich habe Geräusche eher ausgeblendet und mich eher auf meine Hände und Füße verlassen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Folgt mir hier, um immer auf dem Laufenden zu bleiben :)

Follow